Solo und Chor

Der Naturjodel besteht in der Regel aus ein bis zwei Solostimmen (Melodie) und einer Begleitung. Diese besteht bei einem Jodlerclub aus einem meist vierstimmigen Chor, bei einem Klausenschuppel (Appenzell) können es auch nur einzelne Begleitstimmen sein.

Diese Kombination von Melodie und Begleitung, von Chor und Solist, von Einzelperson und Gemeinschaft sind komplementär und bilden ein Ganzes, in welchem sich der Mensch – egal ob mitsigend oder zuhörend – heimisch fühlen kann. 

Auch der klangliche Aufbau der Chorbegleitung ist nicht zufällig, sondern beruht auf harmonikalen Gesetzmässigkeiten. Hans Kayser, der grosse Gelehrte der Naturharmonik, schrieb dazu:

«Wir können also diesen für die Musiktheorie und Musikanalyse äusserst wichtigen Terminus [Kadenz, Kadenzierung] direkt aus unserem harmonikalen Diagramm ablesen, d.h. die ‚Kadenz‘ ist also keine willkürliche Setzung bestimmter Musikepochen, sondern innerhalb dieser Epochen trat eine urtümliche, dem Tongesetz und damit unsrer Psyche immanente Norm nur in Erscheinung, wurde musikalische Gestalt.» (Kayser, Grundriss eines Systems dser harmonikalen Wertformen, S. 123)

Das «Hauptstück» dessen, was die Faszination des Naturjodelns ausmacht, ist somit die «Kadenz» (Grundton, Quinte, Quarte) beim Harmonisieren («Gradhebe») wodurch der Chor den Solo-Stimmen (Individuum) eine Klangheimat mit tragender Kraft bietet, die «Aufwinde» sozusagen, auf welchen die Solos frei fliegen können. 

 



09.07.2019