Zurück in die Städte


Naturjodler in Berlin (Foto: Thomas Born).

Was hat es zu bedeuten, dass das Naturjodeln in den letzten Jahren in weitesten Bevölkerungskreisen, namentlich auch städtischen, so beliebt geworden ist, dass man heutzutage überall Jodeln lernen und praktizieren kann? Selbst an Orten wie dem «fernen Osten» Österreichs, wo das Jodeln weiss Gott keine Tradition hat, wie die österreichische Fachfrau für das UNESCO-Kulturgut «Jodel», Maria Walcher, am «Tag der Erfahrungsmedizin 2014» in Basel festgestellt hat. Oder in Berlin, wo die Österreicherin Ingrid Hammer eine Jodelschule betreibt. Oder in Zürich und Basel mit vergleichbaren Aktivitäten.

Modeerscheinung oder...

Wir könnten es uns mit der Ausrede «Modeerscheinung» leichtmachen, wir können warten, bis sie vorbei ist und zur Tagesordnung übergehen. Was aber, wenn die Faszination des (Natur-)Jodelns mehr ist? Was ist sie denn dann, was steckt dahinter, was bewirkt sie und wie geschieht es? Wie ist es zu erklären, dass gewisse Harmonien des Jodelklangs unterschiedlichste Menschen gleichzeitig und ohne jegliche vorgängige Absprache – also völlig voraussetzungslos – in jenen Zustand versetzen, den der Titel dieser Arbeit meint – schauderhaft und haarsträubend? Wobei allerdings heftiges Augenzwinkern zu diesem Titel gehört, weil beide Ausdrücke, «Schauder» und «haarsträubend» laut «Duden» bis jetzt ausschliess negative Bedeutung haben.

Es steckt mehr dahinter

Könnte es sein, dass mehr dahinter steckt als das, was lokal- und kulturhistorisch zu Entstehung, Bedeutung und Wirkung des Naturjodelklangs gesagt werden kann – Älpler- und Hirtentradition, Ruf-Verständigung von Alp zu Alp zu einer Zeit gänzlich ohne «soziale Medien», Nachahmung der ziemlich «schrägen» Klänge der «Sennschellen», wie sie rund um den Alpstein – immer noch hoch in Ehren gehalten werden?

Könnte es sein, dass die «Haarsträubung» Indiz ist dafür, dass wir es hier mit etwas zu tun haben, das am Anfang des Welt- und Menschseins steht und diese begründet? Könnte es sein, dass die Toggenburger, die Appenzeller, die Muotathaler, die Ob- und Nidwaldner, die Tiroler... ihren Naturjodlern, wo immer sie sind, weit mehr zu verdanken haben als ein bisschen Naturfolklore mit touristischem Potential? Könnte es sein, dass wir mit dem Naturjodeln uns selber zum Klingen bringen?




Naturjodler in Berlin (Foto: Thomas Born).
28.01.2018